2013_03_15 Schneewittchen und Männerschlussverkauf in der Fabrik in Oberndorf

Gastspiele des Frankfurter Galli-Theaters begeisterten – Großes Zwergen-Gewusel beim Mitmachtheater für die Jüngsten – Kleine Besucher eroberten die Bühne – Vergebliches Warten auf Mr. Perfect beim „Männerschlussverkauf“ – Damen-Duo überraschte mit Schauspiel- und Verwandlungskunst

„Eine tolle Location, ein super Publikum und wir kommen gerne wieder!“ Das Galli Theater aus Frankfurt war von der Jossgründer Kleinkunstbühne begeistert. Ja, wer im Spessart lebt, muss nicht bedingt nach Frankfurt in die City, um gutes Theater oder Kabarett zu sehen. Inzwischen kommen die Künstler gerne in den Jossgrund. Ob Gastspiele aus Würzburg/Sommerhausen, Hanau, Aschaffenburg oder Frankfurt, die Darsteller schätzen die tolle Atmosphäre und das hervorragende Publikum in der Oberndorfer Kleinkunstbühne. Das rekrutiert sich zur Hälfte aus den Jossgründer Ortsteilen, die andere Hälfte kommt aus den benachbarten Kommunen. Denn auch in Bad Orb, Biebergemünd, Flörsbachtal oder Bad Soden Salmünster weiß man inzwischen das abwechslungsreiche und niveauvolle Unterhaltungsangebot zu schätzen.

Schneewittchen mit großer Zwergenschar

So bevölkerten bereits am Sonntagnachmittag beim Mitmachtheater „Schneewittchen“ viele kleine und große Zuschauer die Bühne in der Fabrik. Dem Gastspiel des Galli Theaters Frankfurt durften sie nicht nur lauschen, sondern auch mitspielen und mit großem Spaß in verschiedene Rollen schlüpfen. Das Grimmsche Märchen „Schneewittchen“ wurde an dem Nachmittag von der Märchenerzählerin Karola Diestel nicht nur ausdrucksstark vorgetragen. Nein, die Schauspielerin verstand es gekonnt, die Jüngsten zum Mitmachen zu animieren. Da gab es nicht nur muntere Frage- und Antwortrunden, sondern auch spontanes Schauspielern auf der Bühne. „Alleine spielen ist blöd, da müsst ihr mir beim Mitspielen helfen“, forderte Diestel die Kinder auf. Die ließen sich dies nicht zweimal sagen und eroberten flugs die Bühnenbretter. Mit Zipfelmützen versorgt und durften alle mithelfen, bei flotter Musik Erz aus der Erde zu hacken und im Rucksack zu transportieren. Anschließend wurde die Stube gekehrt, die Fenster geputzt und das Essen gekocht. „Wer arbeitet, kommt schon mal ins Schwitzen und riecht nach Schweiß“, erklärte Diestel. „Ich hab doch heute gebadet“, kam es da gleich konternd aus der Runde. Zudem erwiesen sich die kleinen Gäste als erstaunlich märchenfest, wenn es um den Fortgang der Handlung ging. Doch auch Diestel konnte mit sprachlicher und gestischer Verwandlungskunst punkten. Rasch vollzog sie etliche Rollenwechsel, wurde zum innovativen König mit hessischem Zungenschlag , zum sächselnden Jäger, zur listig-bösen Königin und natürlich zum liebreizenden Schneewittchen. Das interaktive Theaterspiel fand seinen krönenden Abschluss in der großen Happy-End–Szene mit zahlreichen knienden Prinzen und ebenso vielen aufrechten Schneewittchen. „Willst du meine Frau werden?“. „Um Gottes Willen, Ihr könnt doch nicht beim erstbesten Deppen, der Euch alles Mögliche verspricht, ‘ja‘ sagen“, meinte sie zu den Mädchen, die erst zweimal „nein“ rufen mussten, bevor sie mit ihren Prinzen tanzen durften. Witzig, unterhaltsam und ohne pädagogischen Zeigefinger gefiel Karola Diestel als Märchenerzählerin, an der auch die erwachsenen Besucher ihre Freude hatten.

„Männerschlussverkauf“ – Vergebliches Warten auf Mr. Perfect

Zur Abendvorstellung lockte das Galli-Theater ebenfalls zahlreiche Gäste nach Oberndorf. In der restlos ausverkauften Kleinkunstbühne wusste das Damen-Duo Karola Diestel und Romana Spensberger in der frivol-unterhaltsamen Komödie „Männerschlussverkauf“ sämtliche Register ihrer Schauspiel- und Verwandlungskunst zu ziehen. Das vornehmlich weibliche Publikum vergnügte sich köstlich beim Gastspiel aus Frankfurt. Und auch einige mutige Männer, die sich unters Frauenvolk gewagt hatten , erfreuten sich an der abwechslungsreichen Zwei-Woman-Show. In der entführten Diestel und Spensberger die Zuschauer zur einer ganz besonderen Therapiestunde. Klientin Gisela Mang (Karola Diestel) ist auf der Suche nach dem perfekten Mann und Tiefen-Therapeutin Möbenbach geht sogleich in medias res. „Wozu braucht es eigentlich die Männer?“ stellt die Fachexpertin die ultimative Frage. Reifen wechseln, Tragen von schweren Gegenstände, ja selbst Ikeamöbel zusammenbauen, das schafft die Frau von heute wohl alleine. Im Intensivschnellverfahren wird die sächselnde Klientin mit fatalen Männerbildern konfrontiert. Von Möbenbach kurzerhand in „Trangse“ versetzt, muss sich Mang mit schrillen Typen männlicher Spezie (trefflich überzeichnet von Romana Spensberger) befassen. Dubiose, mittelalterliche Kirchenmänner, Wildwest-Bubis, die noch bei Mutti wohnen, verklemmte, softe Hungerkünstler, übereifrige Boxer oder coole Macho-Rapper lassen das Männerbild bröckeln. Dass sich bei so manchem skurrilen Exemplar Probleme mit der weiblichen Anatomie offenbaren, sorgt für eine der vielen Lachattacken beim Publikum. Schlagfertig und im wahrsten Sinne umwerfend zelebrieren Diestel und Spensberger groteske und witzig-freche Szenen garniert mit spitzfindigen Analysen und frivolen Untertönen. Zwischendurch liefert Mang ganz gratis wertvolle Diättipps und gibt Anschauungsunterricht in Sachen Problemzonenatmung. Als sich dann aber auch der letzte Kandidat, Graf Eduard von Edelmolch, als Ausschussware für den Schlussverkauf erweist und der ersehnte Mr. Perfekt zumindest an dem Abend ausbleibt , bleibt für das Damen-Duo nur die Erkenntnis:“ Wir üben uns in Weiblichkeit und warten“. Warten auf den großen Schlussapplaus mussten die beiden Schauspielerinnen aber keineswegs, denn das Publikum geizte nicht mit kräftigem Beifall für die überaus treffliche Darstellungskunst samt ihrer zügellosen und erfrischenden Lust an Übertreibungen.

Text und Bilder von Monika Fingerhut

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