2015_07_16 Erwandern, was einst zu Jossgrund gehörte

Knapp 30 Teilnehmer begeben sich im hessisch-bayerischen Grenzgebiet auf Spuren Jossgrunder Geschichte – herrliche Landschaft, eigenartige Naturphänomene und viele Informationen

2007 wurde der Kulturradwanderweg „Perlen der Jossa“ eröffnet. Seitdem hat der gleichnamige Arbeitskreis jedes Jahr eine interessante Info-Radtour durchgeführt. In unregelmäßigen Abständen wurden darüber hinaus auch Wanderungen angeboten.

Die vierte Info-Wanderung führte bei herrlichem Wanderwetter von Burgjoss nach Emmerichsthal. Zum Start im Burgwiesenpark begrüßten Jossgrunds Altbürgermeister Robert Ruppel und der Leiter des Archäologischen Spessartprojekts, Dr. Gerrit Himmelsbach, fast 30 Teilnehmer.

Auf einer Strecke von insgesamt 13 Kilometern erwanderte die Gruppe ehemaligen Jossgrunder Boden entlang der hessisch-bayerischen Grenze. Ruppel klärte die Teilnehmer zunächst darüber auf, was Jossgrund als Gemeinde, „den“ Jossgrund und das Jossatal unterscheidet, bevor sie von Rainer Loos entlang des Bachlaufs über die Ansiedlung des Bibers informiert wurden. Nach dem Überqueren der Hauptverkehrsstraße und einem kurzen Anstieg konnte man einen einzigartigen Blick über das Tal genießen. Im Wald gab es dann eigenartige Naturphänomene zu bewundern wie die 150 Jahre alte „Kandelaberfichte“, über die selbst Experten staunen. Ob ihr ein Sturm die Baumkrone weggeblasen hat oder ob große Schneemengen ihre Entwicklung gestört haben, ist nicht so genau bekannt. Im Laufe der Jahre trieb sie immer neue Nebenstämme aus, so dass ihr Erscheinungsbild an einen Kerzenleuchter (lat. Candelabrum) erinnert. Am Steinigen Berg bot sich der Wandergruppe ein sehr schöner Blick auf die Wacholderheide. Solch reizvolle Landschaften waren im Mittelalter durch die Schäferei im Spessart weit verbreitet. Im 20. Jahrhundert verschwand dieses Vegetationsform weitgehend durch intensive landwirtschaftliche Nutzung der Böden. Heute schätzt man diese wenigen verbliebenen Flächen als kulturhistorische Zeugnisse. Den bedrohten Tier- und Pflanzenarten dienen sie als Rückzugsmöglichkeiten.

Nach der Grenzüberschreitung kamen die Wanderer zur legendären „Ziegelhütte“. Während der Verpflegungspause berichtete die aus Aura stammende Annette Kunkel über die ehemalige Siedlung, die 1703 dort entstanden war. Die ton- und wasserreiche Jossgrunder Hochebene wurde bis ins Jahr 1834 zur Ziegelbrennerei genutzt. Wegen Holzmangels reichte die Ziegelei schließlich nur noch für den Nebenerwerb und die Herberge wurde zum Treffpunkt für Räuber, Wilddiebe und Schmuggler. 1866 kam Jossgrund durch den Friedensvertrag zu Hessen. Sinngrund blieb bei Bayern und folglich auch die Ziegelhütte, die Aura angegliedert wurde. 2009 wurde der Brunnen durch das zuständige Forstamt Hammelburg erneuert und dient heute als Denkmal. Die zwölfte und letzte Station auf dem 25 Kilometer langen Kulturradwanderweg ist Emmerichsthal. Dort berichtete Gundolf Weismantel über die Geschichte des Weilers, der im Main-Spessart-Kreis liegt und zu Obersinn gehört. Eigentlich ist er sowohl politisch als auch kirchlich nach Jossgrund, das auf der hessischen Seite des Spessarts liegt, ausgerichtet. 1303 wurde der Ort urkundlich erstmals unter dem Namen Steinbach (im Dialekt: Stoamich) erwähnt. Sein heutiger Name erinnert an den Mainzer Bischof und Kurfürsten Emmerich Joseph von Breidbach. Unter seiner Herrschaft 1765 bis 1768 wurde im Steinbachtal, einem Seitental der Jossa, eine Glashütte gebaut. 1814 kam Emmerichsthal dann zu Bayern. Vor der Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre gehörte der Ort zu den Bezirksämtern Gemünden und Lohr. In Emmerichsthal sollte die Tour ursprünglich enden. Da das einzige Gasthaus aber geschlossen hatte, trafen sich die Teilnehmer zur Schlussrast im Landgasthof Jossgrund im drei Kilometer entfernten Jossa, bevor sie mit dem Bus nach Burgjoss zurücktransportiert wurden.

Text und Fotos von Birgit Sinsel

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