2015_08_28 Altes Turmuhrwerk der St. Martinskirche restauriert

Matthias Bien und Wilhelm Schreiber präsentieren über 100 Jahre altes Wunderwerk der Technik im Foyer des Bürgerhauses - Beruhigendes Ticktack der alten Uhr - Belege datieren ins Jahr 1904 – Reinigung, neuer Farbanstrich und fehlende Einzelteile ersetzt – Unzählige Arbeitsstunden der beiden Hobby-Tüftler – Uhrwerk nun im Foyer des Bürgerhauses als festes Ausstellungsstück

Ein über 100 Jahre altes Wunderwerk der Technik der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, war der Impetus, der Matthias Bien und Wilhelm Schreiber antrieb, die mechanische Turmuhr der St. Martinskirche in Jossgrund-Oberndorf wieder zum Laufen zu bringen. Denn die Uhr sollte weder verschrottet noch verkauft werden. Während einer Musikprobe im vergangenen Sommer kamen die beiden Musiker auf die Idee, die alte mechanische Kirchturmuhr erneut zum Leben zu erwecken. Die zeitintensive Tüftelei an dem alten Uhrwerk hat die beiden Oberndorfer schließlich einige hundert Euro und ein paar hundert Stunden Arbeit gekostet. Hätte man die Restaurierung einer Fachfirma übertragen, wäre am Ende wohl ein fünfstelliger Betrag zustande gekommen. Doch waren es vor allem Detailliebe, welche die beiden technikversierten Hobby-Restauratoren motivierte, das Projekt auch ohne große Sponsorengelder anzugehen. Und für Wilhelm Schreiber war es sogar noch ein wenig mehr. Denn bereits zu seiner Zeit als Messdiener faszinierte ihn das satte, beruhigende Ticktack der alten Kirchturmuhr, wenn er frühmorgens seinen Dienst in der St. Martinskirche verrichtete und die Glocken zum Läuten brachte. „Dazu musste man die hohe Treppe der Burgkirche besteigen", erzählt Schreiber. 1968 wurde die alte Turmuhr stillgelegt. Dies ist Dokumenten der Pfarrgeschichte zu entnehmen. Aus jener Zeit liegt ein Angebot über eine neue vollelektronische Turmuhrenanlage vor.

Historische Belege
Bei ihren Recherchen fanden die beiden Hobby-Tüftler auch den den Kostenvoranschlag und die Bedienungsanleitung aus dem Jahr 1904 von einem Uhrmachermeister namens Georg Beyer aus Burgsinn. Mit allen Details hatte das Uhrwerk damals 1.400 Mark gekostet. Zum Vergleich: Der Monatslohn eines Arbeiters lag damals bei etwa 60 Mark und ein Maß Bier kostete 24 Pfennige. Ebenso einzusehen ist ein Garantieschein vom 26.11.1904 über ein Garantie von 20 Jahren vom Hersteller der Uhr, der Firma Hörz einer Turmuhren–Fabrik in Ulm. Ein Fachbetrieb der übrigens heute noch existiert. „Von der Verarbeitung und den Materialien her ist die Uhr ausgelegt auf jahrhundertelangen Betrieb. Welches Produkt der Neuzeit könnte dies für sich beanspruchen?“, fragt Matthias Bien, der die Arbeitsschritte der Restaurierung akribisch in einer Dokumentation festgehalten hat. Die beiden Jossgründer Tüftler waren während ihrer Arbeit immer wieder verblüfft von der raffinierten Technik und Konstruktion der Anlage. „Es gibt kein einziges Teil an dieser Uhr, das nach 64 Jahren Dauerbetrieb und anschließender knapp 50-jähriger Lagerung mehr als minimale Abnutzungen zeigt“, erklärt Bien.

Restaurierung erforderte Experimentierfreude und Kreativität
Das über 200 Kilo schwere Turmuhrwerk im Kirchturm befand sich seitdem jedoch in einem sehr verschmutzten Zustand. Um es zu reinigen und wiederherzustellen, wurde es in Einzelteile demontiert und in einem alten Klassenraum der Jossatalschule gelagert. Die erforderliche komplette Reinigung aller Teile mit einer speziellen Waschlösung machte einen neuern Farbanstrich unumgänglich. Fehlende Einzelteile waren beim alten Hersteller natürlich nicht mehr zu beschaffen. Experimentierfreude und Kreativität waren angesagt. Denn auch das Schlagwerk für Viertelstunden und ganze Stunden sollte ja wieder zum Laufen gebracht werden. Dazu galt es eine Ersatzkonstruktion für den Turm zu bauen, um Antriebsgewicht und „Ersatzglocken“ unterzubringen. Die Lösung war ein Gerüst auf Balken mit Schwerlastrollen, welches mit einem neuen Schrank sowie dem restaurierten Originalgehäuse aus dem Kirchturm versehen wurde. Das neue Gehäuse beherbergt im grünen, „antiken“ Teil das Uhrwerk, hinter den verkleideten Erweiterungen verbirgt sich die Mechanik (Gewichte, Seilzüge,..) die früher im Kirchturm verbaut war. Eine spezielle Rampe, die für den Transport benötigt wurde, konnte das alte, inzwischen rund 400 Kilo schwere Kirchturmuhrwerk ins Foyer des Bürgerhauses transportiert werden.

Ausstellung im Foyer des Bürgerhauses
Einen großen Dank zollte Bürgermeister Rainer Schreiber den Hobby-Tüftlern, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz nicht nur ein wichtiges historisches „Zeit“-Dokument gerettet haben, sondern auch für eine Attraktion im Foyer des Bürgerhauses sorgen. Dort kann das alte Kirchturmuhrwerk von Besuchern nun bestaunt werden. Wer das Projekt unterstützen möchte, und den beiden engagierten Restauratoren bei den den Materialkosten, die sich auf ca. 800 Euro belaufen, unter die Arme greifen möchte, kann sich im Pfarrbüro melden, so Pfarrgemeinde- und Verwaltungsrat.

Text und Fotos von Monika Fingerhut

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