2016_04_07 Von der Arbeit des Müllers

Gesprächskreis "Heimatgeschichte" besichtigt historische Mühle in Oberndorf

Lange Zeit, als sich die Menschen noch vorwiegend von Brot ernährten, war Getreide das Hauptnahrungsmittel der Menschen. Das dafür benötigte Mehl mahlte der Müller.

Er war als Versorger der Bevölkerung unverzichtbar, so dass er nicht in den Krieg ziehen brauchte und sich auch nicht an das Feierabend- und das Feiertagsgebot halten musste, war doch seine Arbeit wie keine andere abhängig von den Launen der Natur.

„Unter Erlen stand ‚ne Mühle“, „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, bei Tag und bei Nacht ist der Müller stets wach“, „Wo’s Dörflein dort zu Ende geht, wo’s Mühlenrad am Bach sich dreht“, „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenrad“, solche alten Volksweisen erzählen viel von der Bedeutung des Müllers. Die Mühle war die erste Maschine, die weder durch Menschen- noch durch Tierkraft angetrieben wurde.

Die nötige Energie lieferte das Wasser. 1875 soll es in Deutschland 60.000 Wassermühlen gegeben haben. Davon ist heute nur noch ein kleiner Bruchteil vorhanden. Manchmal verrät lediglich der Name einer Straße noch, wo einst eine Mühle stand. Teilweise wurden die Mühlen von ihren Besitzern restauriert und werden heute als kleine Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung genutzt. So wie die alte Mühle an der Jossa in Oberndorf, die der Gesprächskreis Heimatgeschichte kürzlich in Augenschein nehmen durfte. Man vermutet aufgrund eines Balkens mit der Jahreszahl 1669, dass sie nach dem Dreißigjährigen Krieg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wieder aufgebaut wurde. Dokumente über Abgaben gibt es aber erst aus dem Jahr 1814.

Ende des 19. Jahrhunderts gehörte die Mühle einem Müller namens Weidner. 1900 wurde sie vom Großvater des heutigen Besitzers Edmund Walz übernommen und 1909 erneuert. Die Getreidemühle war 250 Tage im Jahr in Betrieb, und das elf bis zwölf Stunden täglich. In der Scheune erhielt die interessierte Gruppe einen Eindruck von der Funktionsweise der Maschine. Von der Mühle gibt es noch das Mühlrad und eines der beiden Mahlwerke, das zu Demonstrationszwecken hin und wieder in Betrieb genommen wird. Ein mechanischer Antrieb sorgte dafür, dass ein Glöckchen den Müllerburschen daran erinnerte, dass es wieder an der Zeit war, das Mehl abzufüllen und neues Getreide einzufüllen. „Das passierte alle vier Stunden, auch nachts“, erinnerte sich Edmund Walz.

Die Bauern brachten das Getreide zur Mühle und nahmen es in Form von Mehl wieder mit nach Hause. Die Bäcker wurden vom Müller beliefert. In Oberndorf gab es noch die Untere Mühle am Ortsausgang Richtung Burgjoß, wo ebenfalls eine Mühle stand. Der Nachbarort Pfaffenhausen hatte sogar drei Mühlen.

Industrielle Großmühlen verdrängten nach und nach die kleinen Handwerksmühlen, sodass es Ende des 19. Jahrhunderts zu einem „Mühlensterben“ kam. Die Mühle an der Jossa in Oberndorf wurde 1957 stillgelegt. „Irgendwann wollten die Bäcker nur noch ganz feines weißes Mehl“, berichtete Walz. Seine beiden Söhne Bernd und Michael und sein Bruder, Professor Othmar Philipp Walz aus Gießen, sorgten im Jahr 2010 dafür, dass sich an ihrem Elternhaus heute wieder ein Mühlrad dreht.

Text und Fotos von Birgit Sinsel

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