2016_09_23 "Mahnmale, damit so etwas nicht wieder passiert"

"Perlen der Jossa" - Geführte Rundwanderung um Lettgenbrunn und Villbach - Holger Heinemann und Gerrit Himmelsbach informieren über wechselvolle Geschichte und geologische Besonderheiten

Rund 50 Interessierte aus allen Ortsteilen und den Nachbargemeinden hatten sich vor der Lettgenbrunner Kirche zur Herbstwandertour 2016 an den „Perlen der Jossa“ versammelt.

So nennt sich der Kulturradwanderweg, der 2007 eröffnet wurde und die Jossgrunder Ortsteile verbindet. Seitdem organisiert die gleichnamige Arbeitsgruppe jedes Jahr eine Info-Radtour und hin und wieder eine –wanderung, um Einwohner und Gäste über die Besonderheiten des Jossgrundes zu informieren.

Bürgermeister Rainer Schreiber und Dr. Gerrit Himmelsbach vom Archäologischen Spessartprojekt freuten sich sehr über die große Resonanz, obwohl die Tour relativ früh startete und es am Morgen noch kräftig geregnet hatte. „Auf alten Wegen zwischen Jossgrund und Bad Orb“, lautete das Motto der Wanderung. Auf der zwölf Kilometer langen Strecke berichtete Holger Heinemann an verschiedenen Plätzen über die wechselvolle Geschichte Lettgenbrunns.

Der Ort wurde zum ersten Mal im Dreißigjährigen Krieg zerstört. Auch 1912, vor dem Ersten Weltkrieg, mussten die Bewohner ihre Häuser verlassen, da auf der Wegscheide ein Truppenübungsplatz errichtet werden sollte. 1935 wurde das Gebiet um Lettgenbrunn zum Bombenabwurf-Übungsplatz für den Fliegerhorst in Rothenbergen erklärt und musste daher ein drittes Mal verlassen werden.

Nach einigen Höhenmetern erreichte die Wandergruppe einen Acker, der während dieser Zeit als Flugzeug-Landebahn diente. „Wie eine Kraterlandschaft hat es hier ausgesehen. Bombensplitter in den Böden machten es den Leuten nach der Wiederbesiedelung schwer, das Land neu zu bestellen“, verdeutlichte Heinemann und versicherte, dass heute längst alles abgesucht sei.

Weiter führte die Tour auf einem Stück der ehemaligen Bahntrasse, die vor dem Ersten Weltkrieg gebaut wurde, um Munition zum Übungsgelände zu transportieren und Grubenholz und Basalt aus dem Wald zu befördern. „In Spitzenzeiten verbrachten hier bis zu 10.000 Soldaten eine Ausbildungszeit von vier bis acht Wochen“, so Heinemann über die Größenordnung des Übungsareals, das sich bis nach Oberndorf, an den Schafstall in Pfaffenhausen und zur Flörsbacher Höhe erstreckte.

Doch es gab nicht nur Informationen zur Geschichte, die Strecke wurde auch unter geologischem und biologischem Aspekt betrachtet. Im Naturschutzgebiet im ehemaligen Basaltsteinbruch waren die Teilnehmer fasziniert von einem besonderen Zauber. „Es ist ein lebendiges Museum“, verdeutlichte Gerrit Himmelsbach und sprach von verschiedenen Interessen, die dort aufeinandertreffen: der Erhalt einer ursprünglichen Landschaft mit heimischen Baumarten wie der Buche und das Schützen von Pflanzenarten, die sich aufgrund der ungewöhnlichen Bodenverhältnisse verbreitet haben.

Weiter ging es am Golfplatz entlang, wo  die Überreste eines Aussichtsbunkers als Relikt aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen sind. „Mahnmale, damit so etwas nicht wieder passiert“, betone Heinemann. Durch das „Orber Reisig“ gelangten die Wanderer auf den höchsten Punkt, den Horstberg, wo die Quellen der Jossa und der Orb gebildet werden. Auf dem Weg dorthin sind bei klarem Wetter die Silhouetten der Hügel des Vogelsbergs und der Rhön zu erkennen.

Die Wandergruppe passierte das Holztor am „Rohlands-Blick“ und erreichte den Weiler Villbach, wo Heinemann das Geheimnis um die Jagdhütte von Hermann-Göring lüftete. Über einen kurzen Umweg führte die Tour durch die „Hohle“ nach Lettgenbrunn zurück. Dort konnten sich die Teilnehmer auf dem Oktoberfest der Freiwilligen Feuerwehr mit obligatorischen Wies’n-Spezialitäten stärken, aber auch mit einem leckeren Mohngericht nach einen Rezept aus dem Sudetenland, denn von dort stammen viele Bewohner Lettgenbrunns. Am Nachmittag folgte noch eine Führung durch die im Jahr 1954 eingeweihte Doppelkirche, in der sowohl katholische als auch evangelische Christen ihre Gottesdienste feiern.

Text und Fotos von Birgit Sinsel

Bildergalerie: