Restglühen - Theater trifft Nerv der Zeit

Fünf Patienten mit unterschiedlichen Symptomen eint dieselbe Diagnose: Burnout - Theatergruppe "Inkognito" beschäftigt sich mit brisantem Thema

„Restglühen“ heißt das Stück, das die Jossgrunder Theatergruppe „Inkognito“ als diesjährige Produktion ausgewählt hat.

Nein, es handelt sich nicht um das Leeren angefangener Flaschen am Ende einer Party. Gemeint auch nicht das Nachleuchten einer ausgeknipsten Lampe. „Werden Sie eins mit uns und laden Sie Ihre Akkus auf“, begrüßte Regisseur Markus Karger das erwartungsfreudige Publikum zur Premiere im voll besetzten Saal der Kleinkunstbühne „Die Fabrik“ in Oberndorf. Er spielte mit der Aufforderung auf das brisante Thema „Burnout“ an, mit dem sich die zweieinhalbstündige Aufführung beschäftigt.

Die Jossgrunder Theatergruppe widmete sich bereits mehrfach heiklen und sozialkritischen Themen. Dass sie darin erfolgreich ist, hat sie in mehreren Produktionen eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die Protagonisten der diesjährigen Inszenierung leiden an unterschiedlichen Krankheitsbildern. Die ehrgeizige Werbetexterin Carmen Wellner (Heike Birkler) befindet sich nahe an der Leistungsgrenze und wird geplagt von Panikattacken. Pianist Ferdinand Kleewin (Marco Amberg) möchte seinen Tinnitus loswerden, damit er wieder richtig komponieren kann. Lehrer Dr. Thomas Lammenbehr (Helge Birkler) leidet unter massiven Verdauungsproblemen. Er hat nicht nur Angst vor den Gehässigkeiten seiner Schüler, sondern auch Beziehungsstress. Der arbeitssame Banker Jochen Billziger (Lothar Fingerhut) klagt über Rückenschmerzen. Er ist nur noch der Bank verpflichtet, seiner Familie ist er fremd geworden. Der etwas naiven und aufopfernden Mutter und Drogeriemark-Verkäuferin Mirjam Schmitt (Bettina Schickel) geht es nur gut, wenn es Mann und Kind gut geht. Sie wird aber unentwegt von Weinkrämpfen geschüttelt. Was alle Seminarteilnehmer verbindet, ist die Diagnose Burnout.

Mit Psychologin Dr. Swana Klimberk (Dr. Monika Fingerhut) wollen sie die Ursachen für ihre Probleme ergründen. Zwischen den Einzel- und Gruppengesprächen, Achtsamkeitsübungen und Rollenspielen gewähren die Teilnehmer im Spotlight mit unter die Haut gehenden Monologen Einblicke in ihre Gefühls- und Gedankenwelten. Auch die Psychologin erzählt von bewegenden Grenzerfahrungen in ihrem Leben.

Misstrauen schleicht sich ein, als es Anlass gibt zu glauben, dass jemand Informationen nach draußen transportiert. Tiefgründiger Humor in manchen Szenen sorgte immer wieder für Gelächter im Publikum. Burnout wird oft als Modekrankheit heruntergespielt, die Gelegenheit gibt, sich bemitleiden zu lassen oder unangenehmen Aufgaben aus dem Weg zu gehen. Doch wenn der Körper beginnt, gegen die Einflüsse von außen und dem Anspruch nach Perfektion zu rebellieren, ist dies eine ernst zu nehmende Warnstufe auf dem Weg in die Depression.

Das Stück von Petra Wüllenweber hält dem Publikum den Spiegel vor. Eindrucksvoll zeigt es, dass die Krankheit jeden treffen kann, ganz gleich welcher Berufsgruppe oder welcher sozialen Schicht er angehört. Das bewährte Ensemble der Theatergruppe hat die schwierige Herausforderung wieder einmal hervorragend gemeistert. An drei Abenden hinterließen die Akteure ein begeistertes und nachdenkliches Publikum, das anhaltenden Applaus spendete.

Text und Fotos von Birgit Sinsel

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