Der Spessart in der Zeit des Nationalsozialismus

Bevölkerung für Kriegspläne manipuliert - spannende Einblicke in die Schulchronik von Oberndorf - Geschichtsverein lädt zu Votrag mit Dr. Himmelsbach ein

Auf Einladung des Geschichtsvereins Jossgrund hat Dr. Gerrit Himmelsbach vom Vorstand des Spessartbundes über den Spessart in der Zeit des Nationalsozialismus und die Schulchronik von Oberndorf referiert.

Der Vereinsvorsitzende Karl Damian begrüßte etwa 60 Besucher aus Jossgrund und Umgebung, die „Gute Stube“ im Familienzentrum war proppenvoll. Himmelsbach berichtete über die schwierige Zeit in den Spessartdörfern in den Jahren 1933 bis 1945. Er machte deutlich, wie auch die Landbevölkerung mitsamt den Kindern für die Kriegspläne manipuliert wurde.

Die Zuhörer erfuhren auch Wissenswertes über den Dr.-Hellmuth-Plan. Otto Hellmuth war damals Zeit Gauleiter der NSDAP und Regierungspräsident von Mainfranken. Sein in der Rhön durchgeführter Plan sollte zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in den ländlichen Gebieten Mainfrankens und der gesamten Rhön führen. Er wollte aus Notstandsgebieten Wohlstandsgebiete machen. Die geplante Verbesserung der Infrastruktur durch Straßen- und Wegebau die Umlegung von Dörfern war verbunden mit rassenpolitischen Maßnahmen. Wer nicht mitzog, hatte Repressalien zu befürchten. Obwohl Deutschland noch keine Armee haben durfte, wurde für den Krieg aufgerüstet, etwa durch den Bau von Flugplätzen, die man als Festplätze tarnte. Mithilfe von Passagen aus der Schulchronik von Oberndorf machte Himmelsbach deutlich, wie sich der Schulalltag zu dieser Zeit gestaltete.

Die Schulchronik, so der Experte, sei aussagekräftiger als das ebenfalls interessante Chroniklesebuch Jossgrund von Msgr. Johannes Rützel, da sie parallel zu den Geschehnissen geschrieben worden sei. Ob es von den anderen Ortsteilen, die damals eigenständige Gemeinden mit eigenen Schulen waren, auch Chroniken gibt, ist nicht bekannt. Die Chronik von Oberndorf erzählt, dass die Kinder bei bedeutenden Ereignissen  schulfrei hatten, zum Beispiel beim Wahlerfolg der NSDAP, als der neue Reichstag eröffnet wurde oder an Hitlers Geburtstag. Am ersten Mai nach der Übertragung der Kinderkundgebung in Berlin, ging am Abend durch Oberndorf ein Fackelzug.

Im August 1939 wurden eine große Zahl an Männern aus Oberndorf und den Nachbargemeinen zum Wehrdienst eingezogen. Unterrichtsfrei hatten die Schüler jetzt nicht mehr, weil es etwas zu feiern gab, sondern wegen Fliegergefahr oder weil kein neues Brennmaterial besorgt werden konnte. Im August 1941 wurden in der Nähe einer Schäferhütte sechs Bomben abgeworfen. 1944 wurden Lehrer zum Kriegsdienst eingezogen. Die Schulchronik berichtet auch vom Einzug der Amerikaner im April 1945. Die Schule, die sich damals in der Dorfmitte befand, wurde mitsamt der Lehrerwohnung durch Granaten beschädigt. Im Mai 1945 übernahm eine Lehrerin aus Frankfurt die Schulleitung. Im September wurde der Unterricht wieder aufgenommen. Für über 160 Kinder stand eine einzige Lehrkraft zur Verfügung.

Winfried Imkeller vom Geschichtsverein Jossgrund konfrontierte die Zuhörer abschließend mit Gedanken und Berichten von Situationen aus seinem früheren Berufsalltag in der Jugendarbeit im Zusammenhang mit politischer Gesinnung und radikalen Verhaltensweisen.

Anmerkung: Interessierte können die Schulchronik von Oberndorf über die Gemeindeverwaltung Jossgrund erwerben.

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