Verlässlichkeit statt Selbstentfaltung

Philosophie - "Werte zwischen Herkunft und Zukunft" - Dr. Gerald Weidner refereriert über Wertewandel - nächster Termin am 6. März

Auch der sechste Vortrag von Professor Dr. Gerald Weidner aus Mernes in der "Gut Stuwe" in der alten Fabrik war wieder gut besucht. Unter dem Titel „Werte zwischen Herkunft und Zukunft“ referierte der Diplompädagoge, der bis zu seinem Ruhestand Professor an der katholischen Hochschule Mainz war, in Oberndorf.

Der Begriff stamme aus der Wirtschaft und werde in der Philosophie eher kritisch betrachtet.  „Zunächst war den Menschen das wert, was sie zum Überleben benötigten. Eine Stufe darüber liegt der soziale Zusammenhalt“, erläuterte Weidner. Mit dem Aufbau von höheren Kulturen seien verbindliche Werteorientierungen geschaffen worden wie die Zehn Gebote. "In der Zeit der Moderne wurde diese in Gesetze umgewandelt“.

Jede höhere Kultur beginne mit der „Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren“. Seit der Industrialisierung dominierten Werte wie Bildung, Erfolg im Beruf, Wohlstand, Konsumorientierung und individuelle Lebenskonzepte das Weltbild. Derzeit entdeckten Wissenschaftler einen Wertewandel. Bei Jugendlichen gebe es eine Renaissance der alten Werte wie Pflichtbewusstsein, Fleiß und Höflichkeit, berichtete Weidner. Bei Selbstentfaltungswerten wie Offenheit, Kontakt- und Kritikfähigkeit sei hingegen ein Rückgang zu beobachten. Anfang der 1980er Jahre seien Selbstvertrauen, Selbstständigkeit und Lebensfreude die bedeutendsten Erziehungsziele gewesen. In 2010 waren den Menschen Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft wichtiger.

Besonders bei der Jugend gebe es einen Bedeutungszuwachs von Anstand, Verantwortung, Vertrauen, Beständigkeit und Sehnsucht nach  Sinn. „Das kann auch als neue Bürgerlichkeit in einer unsicheren Welt interpretiert werden, in der Freiheit und Gleichheit nicht ausreichend Orientierung bieten“, vermutete Weidner. Noch habe es so viele Neuerungen wie in den letzten 200 Jahren gegeben. „Deshalb birgt der Wertewandel auch Probleme, denn die ältere Generation befürchtet dadurch eine Entwertung ihrer Lebenserfahrung“, räumte der Experte ein.

Weitere Termine stehen bereits im Kalender:

Am 6. März geht es um das Thema „Zukunft – über den Umgang mit dem Unvorhersehbaren". „Sehnsucht nach Ganzheit – die Suche nach der einen Wahrheit“, lautet das Motto eines Vortrages am 3. Juli. Am 11. September setzt sich Professor Weidner mit dem Begriff „Postmoderne“ auseinander. „Wiederkehr der Götter nach ‚Gott ist tot‘“, lautet das Geprächsthema am 6. November. Rückfragen können an km-damian [at] arcor.de gerichtet werden.

Text und Foto von Birgit Sinsel

 

Archiv: